Tag 5
Der fünfte Tag war für Sakura und mich wohl der schönste Tag. (Gut… alle Tage waren die schönsten, als wir dort waren. Aber dieser bleibt wohl für uns beide am längsten in Erinnerung.)
Er fing ganz schön nervenaufreibend an. Wir hatten Zeitdruck und mussten bei Yumeyakata sein – und das um 10 Uhr. Mit dem Bus gings also erstmal zur nächst nahegelegenen Station… Und wir dachten die Zeit würde reichen. Naja… hat fast gereicht. Ich hatte die Distanz wieder mal unterschätzt und die Straße zu überqueren war auch blöd, weil es die Hauptstraße war…
Yumeyakata
Was ist Yumeyakata? Das ist ein Shop bei dem man sich Kimonos und Yukatas leihen kann. (Kaufen kann man auch Fukubukuro = Lucky Bags. Einfach auf der Seite mal schauen.) Außerdem wird man angekleidet und kann auch optional Make-up und Haarstyling buchen. Fotoshootings indoor und outdoor bieten sie natürlich auch an. Ein weiteres Highlight ist, dass man auch ein Maiko- oder Geiko/Geisha-Makeover buchen kann. Mit den teuren Kimonos darf man verständlicherweise nicht auf die Straße. Das ist dann ein reines indoor Shooting.
Am besten man bucht den Termin frühzeitig. Ich hatte für Sakura und mich 2 Monate vorher reserviert. Gleichzeitig habe ich auch nach einem Yukata angefragt, da wir nicht mehr in der Sommersaison wären. (Yukatas werden im Sommer getragen, da diese meist aus leichter Baumwolle bestehen und schlichter sind. Ergo sind sie Hitzetauglicher als die mehrlagigen Kimonos.) Yumeyakata war sehr freundlich und hat mir ein Angebot gemacht, damit ich einen Yukata kaufen konnte! Aber mehr dazu im nächsten Beitrag.
Unsere Reservierung für diesen Tag belief sich auf Kimono leihen und Haare machen. Da wir relativ Make-Up sicher sind haben wir diese Option nicht gebucht. Das Location-Shooting fiel wegen zu hohen Kosten und Abhägigkeit an den Fotografen auch aus. Wir hatten ja schon einen festen Plan was wir sehen wollten und mit dem Fotografen hätten wir wahrscheinlich nur die Hälfte von dem gesehen.
Wir kamen also etwa eine viertel Stunde später an, aber das war dem Staff eigentlich egal, weil es sowieso voll war. Und das obwohl wir außerhalb der Saison waren. Nicht nur Touristen haben sich Kimonos geliehen sondern auch viele Japanerinnen.
Kimono anziehen
Am Eingang mussten wir unsere Schuhe in Tüten einpacken und in den ersten Stock. Dort prüfte man unsere Buchung und wir durften in einen Raum voller Kimono und den dazugehörigen Zusatzkleidungsstücken. Es gab bestimmte Kleidungsstücke die man nocheinmal extra berechnete. Aber das steht auch nochmal auf der Homepage und auch auf den Kleiderhaken.
Man ist natülich nicht allein damit. Das Personal hilft einem gerne weiter um für sich die passenden Farbkombinationen und Zusammenstellungen zu finden. Wenn man dann alles hat geht man an die Kasse um sich das Körbchen berechnen zu lassen. Die Quittung wird an die Tüte geheftet die man dazu bekommt. Danach geht es ein Stockwerk höher wo Frau sich dann auszieht und sich den Juban (Untergewand) anzieht. Das Personal empfiehlt den BH wegzulassen, da der Kimono sowieso eng eingeschnürt wird und ein BH möglicherweise unbequem werden kann. (Übrigens braucht man NICHTS mitzunehmen. Und man kann seine Sachen dort lassen und bei der Rückgabe mitnehmen.)
Es standen viele Frauen/Mädchen an, aber es ging recht zügig und organisiert. Ich kann euch leider keine Bilder zeigen, da das fotografieren untersagt war – immerhin standen nach japnischen Verhältnissen halbnackte Frauen im Raum. Passende Tabi (Socken) musste man sich auch raussuchen. Wer nicht weiß welche japanische Schuhgröße man hat – keine Sorge, es gibt Tabellen.
Der Raum hatte Spiegel, sodass wir sehen konnten was die Frauen mit uns machten. Ich hatte Sakura schon gewarnt, dass man im ersten Moment vielleicht keine Luft bekommen würde und dass man einen geraden Rücken durch das Schnüren bekam. Der Kimono wird deshalb sehr fest gebunden, weil sich beim Laufen nichts lösen soll und man plötzlich entkleidet durch die Gegend stolziert. Dabei sollen NUR zwei Finger durch die Bänder passen – also schon sehr eng. Und denkt bitte nicht, dass man in den Geta (Schuhe) und im Kimono weite Strecken laufen kann. Sakura ist sehr empfindlich und ihr taten die Füße wegen der Geta weh. Große Schritte kann man im Kimono sowieso nicht machen…
Es dauerte rund 20 Minuten bis man komplett angezogen ist. Wir sind dann weiter – einen Stockwerk tiefer zum Haare machen… gestolpert. Treppen runterlaufen is extrem schwierig im Kimono, das hochlaufen ging meines Erachtens noch. Aber herunter… Es gibt in dem Gebäude zwar einen Aufzug, aber der war ständig voll.
Im Salon angekommen kann man sich Frisuren aussuchen. Die Accessoires musste man sich dazukaufen, wenn man denn eins wollte. Als auch das erledigt war konnten wir uns noch eine Tasche aussuchen, damit wir nicht mit unseren Riesentaschen herumlaufen mussten. Noch schnell unsere Habseligkeiten abgeben und angeben ob man sie am selben Tag (bis 19:30) oder am nächsten Tag (bis 17:00) abholen will. Die zweite Option kostet nochmal extra. Sakura und ich wählten die letztere weil wir nicht am selben Tag zurück wollten.
Dann ging es schon ans Geta raussuchen und das Abenteuer konnte beginnen.
Komplimente
Kaum waren wir aus dem Laden raus hielten zwei alte Damen an, sahen Sakura und mich anerkennend an und sagten zuerst auf japanisch, dann auf englisch: Wunderschön. Das hat uns natürlich doppelt gefreut, da die Damen aus Kyoto kamen und ständig Touristen in Kimono zu Gesicht bekommen haben mussten. Generell hatte Sakura sehr viele Komplimente bekommen. Das lag nicht nur daran, dass sie eine Kasachin mit blaugrauen Augen und blondem Haar ist, sondern einfach weil sie wunderschön im Kimono aussah!
Unser erstes Ziel war der Higashi Hongan-Ji. Das ist der jüngere der beiden Zwillingstempel. Der ältere Nishi Hongan-Ji steht westlich. Das Hauptgebäude ist riesig und ähnelt dem Zwilling angeblich sehr. Im Inneren darf man nicht fotografieren um die Betenden nicht zu stören.
Durch die Location-Shooting von Yumeyakata habe ich mitbekommen, dass es ganz in der Nähe des Higashi Hongan-Ji einen Garten gibt, den nicht viele kennen. Er soll zum Tempel gehören und trägt den Namen Shosei-En. Dort muss man allerdings Eintritt zahlen, aber wie ich finde lohnt er sich allemal. Vorallen wenn man schöne Bilder im Kimono schießen möchte.
Als wir uns ausruhten kam eine Gruppe Japanerinnen auf uns zu. Auch sie waren in Kimono gekleidet und ich habe schon von weitem gehört wie sie auf japanisch „wunderschön“ sagten. Eine der Frauen sprach mich auf japanisch an, leider habe ich sie nicht verstanden und teilte ihr auf japanisch mit, dass ich kein japanisch spreche. Die Frauen konnten nur sehr sehr sehr wenig englisch, aber wir haben uns trotzdem verstanden! Mein Japanisch war wohl ausreichend genug. Sie wollte wissen woher wir die Kimonos hätten und wer uns die Haare gemacht hätte. Außerdem hat sie uns auch über unsere Arbeit gefragt. Und es war ein Erfolgserlebnis, dass ich das auch auf Japanisch verstand!
An alle Anime-Begeisterten! Schaut euch die Animes im Originalton und Untertitel an.
Zum Schluss gab es sogar eine japanische Süßigkeit von den Frauen. Eine Maronensüßspeise!
Ach und einen Deutschen haben wir dort auch getroffen. Sagte plötzlich: „N´schönen Tag noch!“ als wir gehen wollten.
French Toast, Maccha Eis und Problemchen
Ich kann mich nicht mehr so genau an unser Frühstück erinnern… Wahrscheinlich hatten wir gar keins. Nach unserer Unterhaltung mit den Japanerinnen und dem Shooting dass wir im Garten gemacht haben, war es an der Zeit ein bisschen etwas zu essen. Statt wirklich Mittagessen zu gehen entschieden wir uns was Süßes zu gönnen.
Obwohl Sakura nicht gern Tee trinkt und auch Maccha nicht mag, hat sie sich ein Maccha Eis bestellt welches für sie sogar sehr gut schmeckte. Also: Auch Tee-Nicht-Möger sollten Macchaeis mal probieren.
Wir waren schon einige Stunden unterwegs und hatten uns eigentlich auch vorgenommen bei Yumeyakata mal nachzufragen wie man mit Kimono aufs Klo ging – oder ob man das nicht machte. Gott sei dank gab es am Hauptbahnhof WiFi und wir konnten das schlaue Internet befragen. Ich wurde hier fündig. So schwierig ist das gar nicht Mädels. Und die japanischen Toiletten haben genügend Platz.
Berge hochlaufen
Wir beschlossen den Palast Nijo für heute ruhen zu lassen und uns stattdessen mehr Zeit für den Kiyomizu-Dera zu nehmen. Mit dem Bus ging es also vom Hauptbahnhof an den Fuß des Berges den wir dann mit anderen Touristen erklommen. Er war schon recht steil, aber es gab auch einiges zu sehen. Etwa auf der Hälfte des Weges kamen wir an einen Rastplatz wo auch Busse standen und ihre Touristen abluden. Viele von ihnen wollten Fotos von Sakura und mir und wir kamen uns vor wie Stars. Besonders Sakura war beliebt, vor allem bei der japanischen Schulklasse. Diese haben Ausländer abgefragt woher sie kamen und was sie besonders toll an Japan finden – als Übung um ihre englische Aussprache zu üben.
Fast angekommen gab es links und rechts von uns viele Souvenierläden und Essensstände. Dort erlebt man nochmal ein bisschen mehr den Flair von Kyoto. Es tummelten sich viele Touristen und auch Schulklassen oder japanische Ausflügler zum Kiyomizu-Dera. Ein paar Japanerinnen, ebenfalls in Kimono gekleidet, fragten uns sogar ob sie ein Bild mit uns machen könnten – typisch japanische Selfies am Nio-Mon, dem Tor des Kyomizu-Dera.
Der buddhistische Tempel wurde im Jahr 798 gegründet, die heutigen Gebäude exestieren allerdings erst seit dem 17. Jahrhundert. 1994 wurde der Kiyomizu-Dera zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt. Seinen Namen erhielt der Kiyomizu-Dera von dem Wasserfall der sich im Inneren des Komplexes befindet. Kiyomizu bedeutet nämlich „Reines Wasser“. Das Wasser des Otawa no Taki soll heilende Kräfte haben, daher kommen viele Menschen dorthin um es zu trinken.
Die hölzerne Terasse des Tempels ist mit dem goldenen Pavillion, dem Kinkaku-Ji von dem ich schon berichtet habe, eines der meist fotografiertesten Motive Kyotos.
Oh und kennt ihr die Geschichte der roten Blume im Bild? Sie nennt sich Lycoris Radiata oder auch Spinnenlilie. Die Legende besagt, dass es einst ein Feenpärchen gab. Manju beschützte die Blume und Saka die Blätter, ihnen war es untersagt sich zu treffen, doch sie waren so neugierig, dass sie ein Treffen arrangierten. Schon auf den ersten Blick verliebten sie sich in einander, doch die Götter waren erzürnt über ihr eigenwilliges Handeln. Daher legten sie einen Fluch über die beiden, sodass sie sich nie wieder sehen konnten. Seitdem spießen die Blätter der Spinnenlilie erst nachdem die Blume verblüht ist. Sie versprachen sich aber, sich in der Nachwelt wiederzusehen.
Scheinbar gibt es noch mehr Legenden über diese Pflanze, aber diese gefällt mir am besten. Oft sieht man diese Blume an Gräbern blühen, da man die geliebte Person in dieser Welt nie mehr wieder sieht. Sie steht in der Blumensprache für das Verlorene und die Sehnsucht.
Ich finde diese Pflanze wunderschön~
Kyoto Tower
Es wurde dunkel als wir uns auf den Abstieg machten. Wir mussten zurück zum Hauptbahnhof und wollten noch die Nachtaussicht von oben genießen bevor wir nach Hause zurückkehren würden. Übrigens war es schon ziemlich anstrengend sich mit dem Rücken nicht an die Sitze zu lehnen im Bus…
Zum Tower gelangte man über die Mall, die schon ihre besten Jahre hinter sich hatte. Am Schalter im Erdgeschoss kaufte man sich ein Ticket welches teurer war als das für das Observatory Deck des Sunshine City! (Eintrag hier.) Mit seinen 131 Metern höhe ist er sogar 109 Meter kleiner als das Gebäude des Sunshine City. Groß ist er auch nicht und die Aussicht ist schön, aber noch lange nicht so toll wie in Tokyo. Angeblich kann man von dort bis nach Osaka sehen, aber da es dunkel war konnten wir nicht viel erkennen. Sicher ist es toll, wenn man dort oben das Daimonji – Feuerfest sehen kann. (Hier kurz erwähnt.)
Heimweg mit Hunger
Eigentlich hatten wir Lust uns in ein Restaurant zu setzen und gemütlich etwas zu essen. ABER wir wollten die Kimonos nicht einsauen, auch wenn die Reinigung mit inbegriffen war. Außerdem – gemütlich im Kimono zu essen dürfte sich als schwierig erweisen. Unsere Beine taten weh und unser Rücken würde es uns danken wenn wir uns endlich aus dem Kimono wickeln würden. Also entschlossen wir uns, beim nahegelegenen 7-Eleven ein Dinner zu kaufen. Gut, günstig, lecker!
Wir zogen uns gegenseitig aus, da es doch etwas tricky war. Danach machten wir uns über das Essen her – uns war unser Aussehen dann nicht mehr so wichtig. Es tat wirklich gut die schweren Kleidungsstücke vom Körper zu haben, auch wenn sie schön waren und uns ein Gefühl gaben Prominent zu sein~
Fertig!
Der Eintrag schrieb sich einfacher und schneller als ich dachte… wenn das so weiter geht wäre ich froh!
An dieser Stelle wünsche ich euch noch ein schönes Osterfest!
Bis bald!
Shizuka 静
PS.: Fragen, Anregungen, Kritik und Lob nehme ich natürlich immer gerne an. Schreibt mir eine E-Mail, eine Nachricht oder einen Kommentar auf Facebook oder Instagram.
Auf diesen Tag hab ich gewartet! Neben dem Planetarium-Besuch ist das der schönste Tag den ich seit langem erlebt habe, abgesehen von den Knubbeln an meinen Zehen von den tollen Schuhen xD.
Nichtsdestotrotz würde ich es sofort wieder machen <3
HAHA wusste gar nicht, dass du so sehnsüchtig auf diesen Eintrag gewartet hast, Liebes.
Gut zu wissen, dass du den Tag nochmal machen würdest! Ich sprech dich nächstes Jahr nochmal drauf an HEHE <3