~Kapitel 14

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Plötzlich hielt er das Pferd an und stieg ab.

Er sah genauso aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte.

Seine Brauen waren verärgert zusammengezogen und seine Augen funkelten gereizt. Allein seine kurzen Haare irritierten mich für den ersten Moment. Meine Erinnerungen waren mit aller Macht zurückgekehrt und ich hatte mich wohl noch nicht an sein kurzes Haar gewöhnt.

„Du willst, dass ich gehe?“ Er erwartete keine Antwort von mir.

„Du willst mich nicht mehr in deiner Nähe? Du entbindest mich von meinem Schwur?“

Natürlich wollte ich ihn noch immer nicht fort lassen. Aber ich wollte nicht mehr egoistisch sein. Ich hatte ihn lange genug festgehalten und ihn behandelt als gehöre er mir allein. Als hätte er keine eigenen Träume.

Welches Recht räumte mir ein, ihn für immer für mich zu beanspruchen?

„Wieso glaubst du überhaupt, dass ich mit Yuiko leben wollte?“

Sein Gesicht hatte sich verändert. Er wartete auf eine Reaktion von mir, doch ich widerstand seinem alles durchbohrenden Blick und wandte mich ab.

Yuiko war ihm wichtiger als ich.

„Du hast es selbst einmal gesagt, Yuzuna.“ Seine Worte waren weicher, doch die Verärgerung war noch nicht ganz verschwunden.

„Mein Leben gehört dir. Ich habe einen heiligen Eid geleistet, dich für immer zu beschützen. Und nun trittst du diesen Eid mit Füßen?“

Meine Liebe zu ihm durfte nicht sein.

Ich rang um Worte. Ich suchte die Richtigen um ihm zu sagen, dass er gehen musste. Dass er glücklich werden sollte. Auch wenn es ohne mich war. Ich wollte ihn um Verzeihung bitten, für all die impulsiven Dinge die ich getan hatte.

Er sollte glücklich werden, weil ich es nicht konnte.

Doch ich fand keine Worte und blieb stumm.

Ich litt alleine.

 

Wir blieben lange so.

Er stand neben dem Pferd und sah mich an. Ich saß auf dem Pferd und starrte in die Leere.

Es waren keine Tränen mehr in meinem Herzen verblieben. Es war hart und verdorrt.

Touma stieg nicht wieder auf. Die Zügel lagen locker in seiner Hand, während er neben dem Braunen her lief. Ich hatte keine Augen für die Landschaft um mich. Selbst die Geräusche waren nicht mehr für mich existent.

Ohne dass ich es bemerkte, erreichten wir, kurz vor Anbruch der Nacht, die Stadt. Erst als Touma das Pferd ein weiteres Mal anhielt, erkannte ich wo wir waren.

Die Stadt Toku lag bereits hinter uns und vor uns ragte die Burg meines Vaters in den Nachthimmel empor. Die Anhöhe auf dem sie stand, ließ  sie noch größer und mächtiger wirken als sie ohnehin schon war. Das weitläufige Areal um die Burg, wurde von hohen steilen Mauren geschützt. Sie waren so glatt geschliffen, dass niemand sie ohne großes Aufsehen überwinden konnte.

Die Sonne war bereits unter gegangen und wir mussten noch ein Stück zurück legen, bevor der Wachposten uns erkennen würde.

„Steig ab, Yuzuna.“ Er sprach nicht sehr laut, aber ich hatte ihn gehört. Reiter zogen das Misstrauen der Wachen auf sich, daher war es geschickter den Rest zu laufen.

Touma hatte die Arme ausgestreckt um mir vom Pferd zu helfen und ich zögerte einen Moment. Es war womöglich die letzte Gelegenheit ihn zu berühren und ich war mir dessen schmerzlich bewusst. Ich verscheuchte den Gedanken und glitt hinunter in seine Arme.

Er ließ mich nicht los als er mich abgesetzte hatte, sondern griff nach meiner Hand und zog mich zu der nächstgelegenen Baumgruppe. Er presste mich gegen einen der Stämme, einen Arm noch immer um mich gelegt. Ich war erschrocken und wusste nicht was vor sich ging. Waren die Murayamas hier in der Nähe? Oder andere Feinde? „Was ist los Touma?“ fragte ich leise, aber panisch.

Er antwortete mir nicht und lauschte in die Nacht hinein. Ich konnte nichts erkennen, denn es war viel zu dunkel. „Touma?“ fragte ich noch einmal.

Anstatt mir zu antworten zog er mich näher an sich. Er legte seine freie Hand auf meine Wange und hob mein Kinn etwas an. Die Dunkelheit verdeckte sein Gesicht, aber ich spürte seinen Blick auf mir.

Er zögerte einen Wimpernschlag, genauso wie er es getan hatte, als ich in Chiyos Haus aufgewacht war.

Es war als ob meine Sinne um ein vielfaches geschärft worden wären.

Zuerst spürte ich seinen Atem auf meiner Haut. Dann berührten sich unsere Lippen. So zart, dass man es kaum spüren konnte, doch in diesem Moment machte mein Herz einen Sprung. So Heftig, dass ich dachte ich würde sterben.

 

Doch ich wollte nicht sterben, nicht jetzt.

Sanft, aber nachdrücklich und entschlossen, ohne einen Zweifel in meinem Herzen zu hinterlassen, küsste er mich inniger.

Und ich spürte all die unterdrückten Gefühle, die er für mich empfand.

Ich erkannte mit einem Mal, was er fühlte. Was er je gefühlt hatte.

Ich litt nicht alleine.

Ich liebte nicht alleine.

Wir waren beide in diesem grausamen Schicksal gefangen.

Er löste sich langsam von mir, ließ mich aber nicht los.

„Ich wünschte, ich hätte ein wenig länger dein Mann sein können.“ Ich spürte seine Sehnsucht, denn es war auch meine.

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