Er hatte die Tasse in der Hand. Sie dampfte nicht so stark. Ich konnte den Tee also ohne mich zu verbrennen trinken. Wenn ich mich nur aufsetzen konnte.
Ohne ein Wort zu sagen und noch immer den Blick gesenkt schob er einen Arm unter mich. Er hatte die Tasse nicht abgesetzt. Er hob meinen Oberkörper an, so als würde ich nichts wiegen. Er tat es langsam, vielleicht hatte er angst ich könnte zerbrechen. Vielleicht konnte ich das sogar. Noch in meinen Gedanken versunken was mit mir passiert war hatte ich nicht bemerkt, dass er mich ansah. Für einen kurzen Moment sah ich darin Sorge, Schuld und Erleichterung. Doch als er sah wie ich ihn anstarrte senkte er den Blick kurz wieder. Er führte die Tasse an meine Lippen und seine dunklen Augen fixierten nur meinen Mund. Sie waren nicht mehr warm, so wie vorhin. Sie waren emotionslos, weder kalt noch warm, nichts.
Der Geschmack des Tees erfüllte meinen Mund. Ich hatte so Durst, dass ich mich verschluckte. Der Husten schüttelte meinen Körper. Es tat weh mit trockener Kehle zu husten und ich konnte nicht verhindern, dass Tränen sich aus meinen Augenwinkeln schoben. Seltsam. Ich hatte es geschafft meine Arme unter der Decke hervorzuziehen. Zitternd und keuchend saß ich da. Er hatte sachte auf meinen Rücken geklopft um mir zu helfen. Wieder begegnete ich seinem Blick.
Verärgerung und ein kleines bisschen Sorge.
Ich fühlte mich schlecht, es war mir peinlich. Wahrscheinlich hatte ich ihn beschmutzt. Ich senkte von mir aus die Lider, konnte aber erkennen wie er den Mund öffnete um etwas zu sagen. Doch er schloss ihn wieder und setzte die Tasse noch einmal an meine Lippen. Ich betete inständig, dass es dieses Mal schaffen würde zu trinken.
Es wollte mir nicht gelingen, so etwas Einfaches wie trinken zu bewerkstelligen. Dieses Mal wischte ich mir die Tränen aus den Augen und lächelte ihn entschuldigend und beschämt an. Ich hatte mich weggedreht um ihn nicht noch einmal anzuhusten. Mein Hals schmerzte schrecklich.
Sein Gesicht veränderte sich als ich ihn anlächelte. Es sah aus als hätte er etwas Unglaubliches gesehen. Er nahm einen Schluck aus meiner Tasse. Sein Griff um meine Schultern verstärkte sich.
Dann beugte er sich über mich.
Ich hatte nicht bemerkt wie er die Tasse abgesetzt hatte, denn seine Augen fesselten mich zu sehr. Sie waren so nah. So dunkel. Ich dachte ich könnte in ihnen aufgesogen werden, so tief waren sie. Seine Hand umfasste mein Kinn und mit dem Daumen öffnete er meinen Mund.
Einen kurzen Moment schien er zu zögern.
Er legte seinen Mund über den meinen.
Alle möglichen Gedanken schossen durch meinen Kopf. Keiner von ihnen greifbar. Keiner von ihnen wichtig.
Er hatte den Tee nicht getrunken. Er flößte ihn mir ein.
Langsam, damit ich mich nicht verschlucken konnte. Meine Kehle fühlte sich besser an. Der Schmerz verebbte. Stattdessen schienen meine Wangen an zu glühen. Was passierte mit mir? Ich fühlte mich plötzlich… anders.